Presse zum Sommerkonzert 2017

Händels Schmerz, Beethovens Dramatik
Dagmar Varady (Reutlinger Generalanzeiger)

Ein attraktives Konzertprogramm lockt auch viele Besucher an. Dafür hat Maria Eiche, die Leiterin des Reutlinger Nachwuchsorchesters (NWO) ein Händchen. Gleich zwei ausgezeichnete Solisten waren für das Sommerkonzert am Sonntagabend in der Reutlinger Stadthalle engagiert – und so wurde die obligatorische Sinfonie am Schluss durch ein Klavierkonzert ersetzt.

Ein erfreulicher Entschluss, den Eiche in ihrem kommentierten Auslegeblatt damit begründete, dass sich in Beethovens drittem Klavierkonzert Solist und Orchester gleichwertig gegenüberstehen. […]. In der Tat war das NWO lediglich in Luigi Cherubinis Ouvertüre zur Oper „Anacréon“ vollständig und allein am Schaffen. Bei den übrigen Werken wurde entweder auf Bläser reduziert oder ein Solist gesellte sich hinzu, was durchaus eine vorteilhafte Abwechslung bewirkte. In der Ouvertüre zeigten sich sogleich die Stärken als auch die Schwächen des Orchesters. Die opulenten Passagen gelangen prächtig, weit ausladend und wirkungsvoll. Wenn es in leisere Gefilde ging oder einzelne Bläsergruppen solistisch tätig waren, konnte man die kleinen Unstimmigkeiten heraushören. Und doch, je länger die jungen Musiker spielten, desto mehr kamen auch diese Dinge in einen guten Fluss. Auch die Wechselspiele zwischen einzelnen Instrumentengruppen wurden gefällig musiziert.

Wie oft stehen doch die Streichinstrumente im Vordergrund. Das hat sich vermutlich auch Maria Eiche gedacht und ließ mit Gaetano Donizettis „Sinfonia für Bläser“ ihre Bläser zu Wort kommen. Dass dies wahrhaftig eine gute Idee war, zeigte sich an dem recht guten Einvernehmen der Musiker. Über geringe klangliche Unsauberkeiten konnte man getrost hinwegsehen, wenn so eifrig phrasiert und nuanciert wurde und dabei die Sanglichkeit niemals außer Acht gelassen wurde.

Arien und ein Klavierkonzert

Und da eben die Bläser betriebsam waren, durften hernach die gesamten Streicher ihr Können zeigen. Doch standen nicht diese im Fokus, sondern die Sopranistin Johanna Pommranz, welche anhand dreier Opernarien ihre immense Sangesqualität zur Schau stellen durfte. Eine Stimme, die sich in den Text einlebt, ja ihn verleiblicht.

Die eindrucksvoll klangreiche Opernstimme war indes nicht das einzige Textverinnerlichen. Auch äußerlich sprühten die Augen vor Empörung, Feuer, Trauer, Melancholie oder Sehnsucht. Beim Wort „fulminate“ in Händels „Neghitosi or voi che fate“ kam man um das deutsche Wort „fulminant“ nicht vorbei, welches vollauf Pommranz‘ glanzvoller Stimme zustand. Andererseits steigt ihre Stimme auch zart ausmalend und lockend als verliebte Dorinda in die Lüfte („Se mi rivolgo al prato“) oder selbstbewusst-sprühend in Vivaldis „Agitata da due venti“.

Doch damit nicht genug der Erlesenheiten. Nach der Pause durfte man über Philipp Hänisch staunen, der den Klavierpart in Beethovens drittem Klavierkonzert bestritt. Das selbstbewusste Auftreten Hänischs konnte man keineswegs anmaßend finden, da er seinem Spiel durchweg treu blieb: nie zögerlich, immer gewiss, jede Note des Werkes kennend, auf jedes Tönchen des Orchesters hörend. Ein entschiedenes, authentisches, analytisches Spiel, überdies beseelt und atmend. Gemeinsam mit dem NWO gelang ein eindrucksvoller Beethoven.