Ein roter Taktstock für die Neue
VON SUSANNE ECKSTEIN
Ein großer Erfolg war das Herbstkonzert des Nachwuchsorchester (NWO) der Jungen Sinfonie unter der neuen Orchesterleiterin Maria Eiche.
Es ist ein Phänomen: Das Nachwuchsorchester der Jungen Sinfonie mit seinem steten Erneuerungsprozess. Derzeit verzeichnet es einen rekordverdächtigen Zulauf, Wartelisten mussten her, und die Orchester zählen (je nach Besetzung) über 60 Köpfe.
In dieser Situation mit zahlreichen „Neuen“ den Dirigentenstab zu übernehmen, dürfte für die neue Orchesterleiterin Maria Eiche nicht einfach gewesen sein. Auch das Herbstkonzert-Publikum war bemerkenswert, der große Saal der Stadthalle war – bei freiem Eintritt gegen Spende – randvoll mit Familien und Freunden quer durch alle Altersklassen, Babies inklusive. An einem Musiker-Vater sollen gar rote Socken in der NWO-Farbe gesichtet worden sein. Und alle waren voll dabei, niemand klatschte an der falschen Stelle.
Den Anfang machten nach einer kurzen Ansage von Dirigentin Maria Eiche die Streicher. Nicht nur kopfzahlmäßig stark, sondern auch technisch-musikalisch: Tschaikowskis „Elegie für Streicher“, 1884 als Dankesgruß an einen verdienten Schauspieler komponiert, musizierten sie mustergültig, mit einem Auge auf das klare und differenzierte Dirigat und einem wachen Ohr für Zusammenspiel, Feinabstimmung, Klang- und Ausdrucksnuancen; die Melodie wurde wie ein Juwel auf Watte getragen.
Nicht im Programm verzeichnet waren die Überraschungen, für die die Junge Sinfonie samt NWO berühmt-berüchtigt ist. Die erste bestand in der nachträglichen Verabschiedung des bisherigen Dirigenten Konrad Heinz, nicht nur mit der NWO-obligatorischen Rose, sondern auch einem gemeinsamen Kanon: „Lieber Konz“ (nach Mozart); der ganze Saal sang mit.
Als Gast-Solistin am Flügel war Isabelle Haas dabei, Schülerin der Reutlinger Pianistin Angela-Charlott Linckelmann (ehemals Bieber) und Junge-Sinfonie-Geigerin(!). Ihr gelang eine einfühlsame und klangschöne Interpretation von Robert Schumanns „Introduktion und Allegro appassionato op. 92“, einem kleinen Schwesterwerk des romantischen a-Moll-Klavierkonzerts. Hätte sie vielleicht mehr Dominanz und Kante zeigen sollen? Dadurch, dass sie sich (wie von Schumann komponiert) eng ins Orchesterspiel einbinden ließ, wurde ihre poetische Virtuosität streckenweise von dem weniger nuanciert aufspielenden Orchester überdeckt.
Doch man bedenke: Die Besetzung ist quasi neu und muss sich erst noch einspielen. Vor allem die Holzbläser haben noch an der Intonation zu feilen. Hat dafür die Zeit gefehlt? In Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 1 C-Dur, die den zweiten Teil des Konzerts bildete, fielen sie durch ungleiche Tonhöhen auf.
Die Bläser brauchen wohl generell noch Zuwendung, abgesehen von den beiden Trompetern, die ihre Sache hervorragend machten. Ansonsten war ein so stil- wie schwungvoller Beethoven zu erleben, von dem groß besetzten Klangkörper mit disziplinierter Begeisterung durchlebt, von Maria Eiche taktfest inspiriert und zusammengehalten. Den unvermeidlichen Schwierigkeiten wurde mit dem Geist des Aufbruchs, der der Partitur innewohnt, und frisch voran getriebener Bewegung mutig die Stirn geboten, vom Publikum am Ende mit Jubel quittiert. Nach Maria Eiches Dankesworten war längst nicht Schluss. Als weitere Überraschung trat nochmals Konrad Heinz auf die Bühne und überreichte ihr – was es nicht alles gibt! – einen Taktstock in leuchtendem NWO-Rot. Damit ließen sich gleich die zwei begeistert erklatschten (und gesungenen) Zugaben dirigieren. . . (SWP)