Nur eine Frage blieb unbeantwortet
VON ARMIN KNAUER
REUTLINGEN. Eine Frage blieb unbeantwortet in diesem Herbstkonzert des Nachwuchsorchesters der Jungen Sinfonie (NWO) am Sonntagabend in der Listhalle. Und nein, es war nicht die Frage, ob Konrad Heinz ein charmanter Moderator und präziser Taktgeber ist.
Was den Moderator betrifft: Frisch von der Leber weg machte Konrad Heinz auf Werke und Komponisten, vor allen Dingen aber den Zweck des Abends aufmerksam: Zehn Jahre Christel-Guthörle-Stiftung wurden gefeiert, »und ohne die Unterstützung der Stiftung«, so der junge Dirigent, »könnte das alles hier nicht so bestehen.« Was später seinen Ausdruck in Blumen und Wein für Christel und Hans Dieter Guthörle fand – und in lautstark gestampften Ovationen des Orchesters für seine langjährigen Gönner.
Was den Taktgeber Konrad Heinz betrifft: Seine junge Truppe war mit hellwacher Konzentration auf sein frisches, geradliniges Dirigat fokussiert und setzte es punktgenau um. Unbeantwortet blieb denn auch nicht die Frage nach der Qualität des Orchesters: Gleich beim ersten Ton von Warlocks »Capriol-Suite« stellten die Streicher den Klang so selbstbewusst und wohl gerundet in den Raum, dass klar war: Hier brennt nichts an!
Die Sätze dieser Streichersuite brachten denn auch eine Tugend nach der anderen zum Vorschein: sanftes Auskosten des Tons (Pavane!), federnde Leichtfüßigkeit, kerniges Zupacken samt knackig in den Raum gestellter Dissonanzen.
Unbeantwortet blieb nur eine musikalische Frage, die Charles Ives in seinem Werk »The Unanswered Question« stellt: Ein hauchfeiner Streicherteppich funkelt dort weltvergessen vor sich hin und schert sich den Teufel um die fragenden Phrasen, die Trompeter Alexander Flamm mit breiter Brust von der Empore herunterschickt. Fragen, die von den Flöten (Martha Flamm, Ulla Teutsch), Oboe (Maria Hermanns) und Klarinette (Emily Kormanyos) hinten im Bühnenraum atonal, verstörend und immer schärfer entgegnet werden. Bis die letzte Frage keine Antwort mehr findet und alles offen lässt. Ein Pionierstück der Moderne, vom NWO fabelhaft klangbewusst umgesetzt. Trompeten-Hochbegabung Flamm wurde nebenbei gesagt eben als Stipendiat der Guthörle-Stiftung angenommen.
Ein Dvorák zum Genießen
Wohlklang zum Genießen brachte dann Dvoáks Romanze f-Moll mit Eva Schall als Violinsolistin – auch sie Guthörle-Stipendiatin. Warm und raumgreifend ihr Ton, dabei wunderbar geführt: klar im linearen Verlauf, emotional, aber nie sentimental. Besonders schön bringt sie die tieferen Lagen zum Leuchten, und die virtuosen Läufe und Doppelgriffe haben bei ihr Spannung und Präsenz. Das NWO trägt sie mit zartem Klang auf Händen und tritt an den Tutti-Stellen mit Wucht und Temperament hervor. Mit die größte Herausforderung ist Mozarts »Prager Sinfonie«: Die langsame Einleitung ist klar strukturiert, im Klang aber etwas brüchig. Das Allegro strömt dafür voller Energie, die Holzbläser-Einwürfe stehen satt im Raum. Im Andante sind die heiklen chromatischen Aufgänge etwas verschwommen, aber sonst entfaltet sich der anmutige, duftige Charakter des Satzes mit großem Charme. Und das Finale zündet mit Biss und einem Temperament, das ansteckt. Ein Mozart, der sich sehen lassen kann. Gefolgt von hoch verdientem Applaus und einer gesungenen (!) Zugabe aus den Weiten der russischen Seele. Was noch eine weitere Frage unbeantwortet lässt: Was kann dieses Orchester eigentlich nicht? (GEA)